Achtsamkeit

Achtsamkeit ist praktizierte Freundlichkeit

Achtsamkeit bedeutet absichtsvolle Aufmerksamkeit auf die sich von Augenblick zu Augenblick entfaltende Erfahrung, ohne sie zu bewerten.

Wenn man einem Objekt volle Achtsamkeit schenkt, betrachtet man es mit Zartheit, Präzision und Interesse.

Mit der Zartheit hapert es bei den meisten von uns…

Achtsamkeit gehört jedoch zur natürlichen Ausstattung der Menschen.

„Stille und Schweigen haben keinen Platz im digitalen Netz, das eine flache Aufmerksamkeitsstruktur hat. Sie setzen eine vertikale Ordnung voraus. Die digitale Kommunikation ist horizontal. Nichts ragt dort. Nichts vertieft sich. Sie ist nicht intensiv, sondern extensiv, was dazu führt, dass der Kommunikationslärm steigt.“
– Byung-Chul Han

Im Aufmerksamkeitsbegehren der Medien- und Telekommunikation geht Ihre sanfte Kraft leicht unter, und im Alltag erfahren wir sie oft nur noch, wenn extreme Vorsicht oder sehr großes Interesse geboten sind.

Stille und Raum

Jenseits der krassen Weckrufe beherbergt die Achtsamkeit jedoch eine tiefgehende, freundliche Arbeitsbasis für Wachheit und Veränderung im Alltag.

In der Achtsamkeits-Praxis können wir diese Arbeitsgrundlage aufspüren und damit üben. Indem wir unsere Aufmerksamkeit wiederholt auf ein Objekt ‚lenken’, anstatt uns von ihr ablenken zu lassen, leuchten wir unsere Erfahrung mit Gegenwärtigkeit und Akzeptanz aus und schenken uns damit Selbstfürsorge und Achtung.

Achtsamkeits-Praxis bringt Körper und Geist im gegenwärtigen Moment zusammen.

Zuallererst ermöglicht sie die absichtsvolle Unterbrechung des ‚Autopiloten’, der zuständig ist für unser Funktionieren in der beschleunigten Welt, für das ‚multi-tasking‘ inmitten des ständigen Geschwätzes unseres inneren Beobachters und seiner oder ihrer (meist abschätzigen) Kommentare. Wir lernen, unsere Erfahrung zu unterscheiden von den Gedanken über unsere Erfahrung. Wir bemerken, was wirklich ist.

Direkte Einsicht kann auftauchen, darüber, was für uns „wirklich wichtig ist“.

Damit einhergehend wird die notwendige Energie (Freude!) frei für Veränderung und für tiefere Zuversicht in der Welt etwas bewirken zu können (Selbstwirksamkeits-Erwartung).

Angewandte Achtsamkeit in unserer Beziehungswelt sieht unsere Verstrickungen und erkennt gewohnheitsmäßige Denk- und Verhaltensmuster an. Erst diese wohlmeinende Akzeptanz ermöglicht Veränderung.

In jedem von uns wohnt eine Stimme der Weisheit und des Selbstmitgefühls, aber zu lernen, sie zu rufen, erfordert absichtliche Übung: unsere Verbindung zu dieser tiefen Weisheit zu stärken, auf das eingestimmt zu werden, was sie uns zu lehren hat, und ihr die Erlaubnis zu geben, unsere innere „Nicht-Genügsamkeit“ zu vertreiben.“
– Valerie Kaur, Jan2021

Meditation

„Intelligent sind die Menschen, die verstehen, dass sie mit dem Verstand nicht alles fassen können.“
– Sylvia Wetzel

Die Übung der Meditation, wie ich sie unterrichte, entstammt dem Jahrtausende-alten Dharma und den Einsichten der buddhistischen Psychologie über das Funktionieren des menschlichen Geistes. Dieses Wissen ist aus der Ermutigung des Buddha entstanden, und weil sich Menschen einfach hingesetzt haben und sich direkt, ohne äußere Ablenkung, für das innere Geschehen im gegenwärtigen Moment geöffnet haben.

„Es liegt eine kraftvolle, jedoch sanfte Magie in der Tatsache, dass Gedanken überhaupt auftauchen. Gewöhnliche Gedanken sind völlig magisch, aber es dauert eine Weile, bevor man dies erkennt. Wenn wir an Dinge gewöhnt sind, scheinen sie uns nicht magisch. Wir sind so vertraut mit der Tatsache, dass Gedanken und Emotionen in unserem Geist entstehen, dass sie kein bisschen geheimnisvoll erscheinen. Eine verbreitete Anschauung ist, dass wir uns in eine ausgefeilte Therapie begeben müssen, um richtig mit unseren Emotionen umzugehen. Aber die Tatsache, dass Gedanken und Gefühle überhaupt erscheinen – und was sie wirklich sind – ist erstaunlich.“
– Rigdzin Shikpo

So, wie wir der Faszination der Ablenkung durch Gedanken erliegen, immer wieder, so sind wir auch fähig, immer wieder aufzuwachen aus der Trance des Denkens.

Es wächst Gewahrsein jenseits von Worten, in dem wir ruhen und spüren können.

Intuitives Gewahrsein und Vertrauen in unsere gegenwärtige Erfahrung ist das Geschenk der Meditation an uns. Sie bringt uns in Berührung mit unserer innewohnenden Gesundheit, Freude, Vitalität und Weisheit.

Kontemplation 

Das lateinische Verb ‚contemplari’ bedeutet „beschauen“, „(aus der Nähe) betrachten“, „sein Augenmerk auf etwas richten“.

Im Zusammenhang der Meditation richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die innere und äußere Erfahrung rund um ein Themaeine Frage, die wir kontemplieren wollen.

I have lived on the lip
Of insanity, wanting to know reasons,
Knocking on a door. It opens.
I’ve been knocking from inside.
– Rumi

Andere, nicht so verkopfte Erfahrung wird möglich. Dies erlauben uns die absichtsvolle Stille und die Werkzeuge der Meditation:

Seit Menschengedenken benutzen Weisheitstraditionen gezielt die Methode der meditativen Arbeit mit dem Geist, um unserer intuitiven Weisheit auf die Spur zu kommen, etwa bei speziellen Themen wie Freundschaft, Helfen, Güte, Sinn.

Dharma

Die Lehren des Buddha werden Dharma genannt, sie sind zeitgemäß, subtil und immer praktisch. Sie attestieren uns eine fundamentale wissende und mitfühlende Natur, die feierns-werte, höchst erstaunliche ‚Buddha Natur’.

Die buddhistische Tradition pflegt eine direkte und mündliche, darum sehr kostbare Überlieferung über die Zeiten und geophysische Begrenzungen hinweg. Sie ist nicht dogmatisch und baut auf den Prozess der eigenen Untersuchung auf.

Unzählige Dharmas bezeichnen auch die vielen Teilchen der momentanen Erfahrung, aus denen sich, wie Tropfen eines Stroms, unser Leben zusammensetzt.

Der Buddha hat seine Schüler ausdrücklich aufgefordert, alle seine Lehren für sich selbst zu überprüfen: Vergänglichkeit, gegenseitiges abhängiges Entstehen, Leiden und Egolosigkeit.

Vorurteilsfreie Offenheit und Staunen, ist nicht allein das Privileg von Kindern. Freude und unerwartete Geschenke zaubern auch Erwachsenen ein Lächeln aufs Gesicht.

Unsere eigene innere Verfassung bestimmt unser Vorstellungsbild von der Welt und der Gesellschaft.

„Humor ist das Gegenteil von Halt, er ist flexibel, schnell, ambivalent. Man muss unterschiedliche Standpunkte akzeptieren, damit er funktioniert. Das mögen totalitäre Geister nicht.“
– Farin, Interview mit den Ärzten, ZEIT/44-2020

Shambhala Dharma

Der Shambhala Dharma ist ein Schatz von Belehrungen zur Grundlegenden Gutheit, übermittelt und in den Westen gebracht vom tibetischen Meditationslehrer Chögyam Trungpa Rinpoche.

Diese Belehrungen beschäftigen sich mit der ‚Kunst, Mensch zu sein’ und sind eine ganzheitliche ‚Erziehung’ zur Zuversicht, wie wir angesichts unserer vielen Ängste den Mut finden, mit unserer Empfindsamkeit im Alltag zu leben, ohne sie zu betäuben oder zu überschätzen.

Innewohnende Gesundheit bedeutet, dass Klarheit, Wärme und Offenheit uns grundlegend angeboren sind, und dass wir sie deshalb in unserer eigenen Erfahrung erforschen und entdecken können (vgl. ‚grundlegende Gutheit’ im Shambhala Dharma oder ‚Buddha Natur’ in der buddhistischen Tradition des Mittleren Weges).

Bodhichitta – Weisheit und Mitfühl

Bodhichitta bedeutet ‚erwachtes Herz’- Weisheit und Mitgefühl

„Wir können uns durch unsere Lebensumstände verhärten lassen, so dass wir immer ärgerlicher und ängstlicher werden, oder wir können uns von ihnen erweichen lassen und uns freundlicher und offener für das machen lassen, was uns Angst macht. Wir haben immer diese Wahl.“
– Pema Chödrön

„Wenn wir den Buddha fragen würden: „Was ist Bodhichitta“, könnte er uns sagen, dass dieses Wort leichter zu verstehen als zu übersetzen ist. Er könnte uns ermutigen, nach Wegen zu suchen, seine Bedeutung in unserem eigenen Leben zu finden. Er könnte uns verlocken, indem er hinzufügt, dass es nur Bodhichitta ist, das heilt, dass Bodhichitta in der Lage ist, die härtesten Herzen und die voreingenommensten und ängstlichsten Gemüter zu verwandeln.“

Mitgefühl (karunā) ist eine spezielle Form von Empathie, in Verbindung mit dem Wunsch, Leiden zu mildern. Im Herzen jeder spirituellen Tradition finden wir die Lehre des Mitgefühls. Mitgefühl bedeutet nicht nur, dass man mit jemandem mitfühlt, sondern auch, dass man versucht, die Situation zu verändern.

Wenn Sie Mitgefühl haben möchten, stellen Sie sich darauf ein, dass sie handeln müssen!“
– DESMOND TUTU

Foto: Sabine Rolf

Es kann ziemlich schwierig sein, sein Herz angesichts von Leiden offen zu halten – ohne Schuldzuweisungen zu machen oder den leidenden Menschen wegzuwünschen, um nicht mehr belastet zu sein. Hier setzt das Training in Bodhichitta an und wird nachhaltig hilfreich.

Weisheit (prajna) und geschickte Mittel (upaya) sind notwendige Voraussetzungen um auf diesem Weg nicht auszubrennen und zu unterscheiden, was hilfreich ist und was nicht.

Selbstfürsorge und kollektive Intelligenz

„Obwohl Sie oft versuchen, andere dazu zu bringen, Sie zu verstehen, ist das heilsamste Verständnis Ihr eigenes. “
– John Welwood

Mitgefühl in unser eigenes Leiden zu bringen, ist ein heilsamer Schritt. Wir kommen allmählich aus der verschlossenen Welt der Selbstbetrachtung heraus und machen uns auf den Weg zurück in unsere Zugehörigkeit.